transmediale Award 2010 - die Nominierten

22.09.2009

transmediale Award 2010 - die Nominierten

Von mehr als 1500 Einsendungen haben es nun neun Kunstprojekte auf die Nominiertenliste der transmediale.10 geschafft. In einer mehrtägigen Sitzung haben sich die Mitglieder der internationalen Jury für die folgenden Werke, Künstler und Künstlergruppen entschieden.

Jedes Jahr rufen die transmediale und der CTM zur Teilnahme am Wettbewerb des transmediale Award auf. Der transmediale Award sucht nach herausragenden experimentellen künstlerischen Arbeiten, die unser Verständnis und Verhältnis zur technologisch geprägten Gesellschaft thematisieren, hinterfragen und bereichern.
 
Von mehr als 1500 Einsendungen haben es nun neun Kunstprojekte auf die Nominiertenliste der transmediale.10 geschafft. In einer mehrtägigen Sitzung haben sich die Mitglieder der internationalen Jury für die folgenden Werke, Künstler und Künstlergruppen entschieden:
 
Die Organisation Free Art and Technology Lab (FAT Lab) arbeitet und forscht an der Entwicklung kreativer Technologien und Medien. FAT Lab wurde 2007 von Evan Roth und James Powderly (bereits bekannt als G.R.L. http://graffitiresearchlab.com) gegründet und hat sich seither um 17 weitere Mitglieder vergrößert, die nun - über das Internet miteinander verbunden - von drei Kontinenten aus an gemeinsamen Projekten arbeiten. Das FAT Netzwerk besteht aus Künstlern, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Anwälten und Musikern, die der Glaube an die Offenheit als fundamentaler öffentlicher Wert eint. Zusammen entwickeln sie Projekte mit offenen Lizenzen bzw. solche, die einen offenen Unternehmergeist propagieren und gegenüber Geheimniskrämerei, Urheberschutz und Patenten den warnenden Finger heben.
Die Internet-Arbeit Bicycle Built For Two Thousand (2009) der beiden Amerikaner Aaron Koblin und Daniel Massey besteht aus 2000 Stimmaufnahmen, die die Künstler mit Hilfe des Online-Programms Mechanical Turk von Amazon aufgenommen haben. Hierfür luden sie Arbeiter ein, sich zunächst einen kurzen Tonausschnitt anzuhören, um sich daraufhin selbst beim Nachahmen dessen aufzunehmen, was sie gerade gehört hatten. Basierend auf einem weitläufigen System menschlicher Stimmen ist das Ergebnis eine Rekonstruktion, eine Neueinspielung, von Daisy Bell - jenem ersten Lied mit musikalischer Sprachsynthese von 1962.

Felix Luque Sánchez, ist spanischer Medienkünstler und arbeitet unter dem Pseudonym Othersound. Er ist mit seiner audiovisuellen Installation Chapter I - The Discovery (2009) für den transmediale Award 2010 nominiert. Hier fungiert ein geometrisches Objekt mit Science Fiktion Charakter und das einen Code aus Licht und Ton von sich gibt als Quelle der Verunsicherung des Betrachters. Durch eine Reihe Videos synthetisch generierter Bilder gerät unser Glaube an die Wahrheit von Informationen ins Wanken. Luque Sánchez' Arbeit thematisiert wichtige philosophische Fragen zum Verständnis einer kollektiven Bildkultur mittels Themen wie Science Fiktion und künstlicher Intelligenz.

 
Bei den Carnivorous Domestic Entertainment Robots (2008) haben wir es mit einer neuen Form von Hausrobotern zu tun. Erfunden wurden sie von der britischen Künstlergruppe Auger-Loizeau & Zivanovic (James Auger / Jimmy Loizeau / Alexandar Zivanovic). Die öde Welt der Staubsauger, Rasenmnäher und robotischen Spielzeughunde wird weit hinter uns gelassen, denn hier treffen wir auf die seltene Spezies echter fleischfressender Haushaltszubehör. Als skurile Hybride zwischen Maschine und Lebewesen, verschaffen sich diese Wesen ihren Lebenssaft, indem sie sich von kleinen Fliegen auf ähnliche Weise ernähren, wie wir dies bereits von Insekten, Reptilien und Spinnen kennen. Die Material Beliefs Carnivorous Domestic Entertainment Robots sind exotische Haustiere mit dunklem Unterhaltungsniveau, die es bestens mit der Zurschaustellung von Leben in Fernsehprogrammen wie Big Brother, Wife Swap oder zusammengeschnittenen Kriegsdramen aufnehmen können.
Exception and the Rule (2009) ist ein 37' Film des britischen Künstlerduos Karen Mirza & Brad Butler, der nach einer Reihe von Aufenthalten in der pakistanischen Stadt Karachi entstanden ist und die dortigen Erfahrungen der Künstler reflektiert. Der Film steht nicht nur in Beziehung zu Butler und Mirzas Arbeit mit einheimischen Straßenverkäufern, Urdu-Übersetzern, Architekten, Immobilienmaklern, Aktivisten, Anwälten, Frisören, Filmemachern, Hochzeitsfotografen, Zeitungsdruckern, Künstlern und Schriftstellern, sondern ist vorallem auch ein Versuch, die komplexe Rolle der internationalen und lokalen Zeitungen als wesentliche, tägliche Ideologievermittler zu analysieren und zu verstehen.
> http://www.artangel.org.uk/projects/2008/the_museum_of_non_participation
Das amerikanische Kunst und Design Kollektiv sosolimited (Justin Manor / Eric Gunther / John Rothenberg) wurde für ihr Projekt ReConstitution nominiert. ReConstitution wurde im vergangenen Jahr im Zuge der amerikanischen Präsidentschaftswahlen konzipiert und ist eine Performance, in der Fernsehinhalte live geremixt werden. Auf der technischen Seite handelt es sich um eine Software zur Datenvisualisierung, mit der Video-, Audio- und Textdaten zeitgleich mit ihrer Ausstrahlung im Fernsehen extrahiert werden können. Dieses System erlaubt sosolimited, eine unvorhersehbare, manchmal komische Narrative zu kollagieren, indem Daten visuell und akustisch transformiert und die Bewegungen und Äußerungen der Menschen auf der Leinwand gesammelt und abgespielt werden.

> http://www.reconstitution2008.com

Die Kanadierin Michelle Teran thematisiert in ihren Arbeiten das Zusammenspiel zwischen den Medien- und sozialen Netzwerken innerhalb städtischer Lebensgemeinschaften. Ihr Projekt Buscando al Sr. Goodbar (2009) ist eine Tour durch die spanische Stadt Murcia auf drei Ebenen zugleich: mit dem Bus, auf Google Earth und auf YouTube. Auf einer Busfahrt begibt sich das Publikum auf die Suche nach den Orten und Autoren verschiedener in der Stadt gedrehter YouTube Videos. Wann immer ein solches Video über die geografischen Koordinaten des Drehortes verfügt, wird es durch eine spezielle Mapping Software direkt mit Google Earth verbunden. Dem Bus kann im virtuellen Raum auf Google Earth gefolgt werden, während YouTube Videos wiederum im Bus gezeigt werden. Durch das Aufsuchen der Räume aus den Videos entsteht eine vertrauliche Begegnung zwischen Videomachern und Publikum. Das Projekt lässt sich jederzeit an anderen Orten wie Berlin wiederholen.

Das kanadische Künstlerduo [The User] (Emmanuel Madan / Thomas McIntosh) wurde mit Coincidence Engines (2008-2009) ausgewählt. Bei dem Projekt handelt es sich um eine Reihe kompositorisch-technologischer Arbeiten zu Ehren des ungarischen Komponisten György Ligeti für dessen Werk Poème Symphonique sowie dessen unnkonventionelle Eigenschaft, Metronome als Toninstrumente zu nutzen. Coincidence Engines reflektiert das Verhältnis technologischer Systeme, Kultur und menschlicher Erfahrungen zueinander und lädt ein, diese Beziehungen etwas anders zu denken. Das tausendmal gehörte Ticken einer Uhr verwandelt sich in den Arbeiten von [The User] in eine reichhaltige Quelle komplexer akustischer Strukturen. Mit einer Unzahl verschiedener Zeitmessgeräte erkunden die beiden Künstler Themen wie Reglementierung, Vielfalt, das Perfekte und Imperfekte sowie die Entropie.

> http://www.coincidence-engines.net
 

Für seine Installation Artificial Moon (2007) hat der chinesischer Künstler Wang Yuyang aus vielen verschiedenen Energiesparbirnen eine leuchtende Kugel mit 4m Durchmesser geschaffen. Die Arbeit thematisiert auf poetische Weise die sich ändernen Rollen von Technologie und Umwelt, markiert das Spannungsverhältnis zwischen Natur und Künstlichkeit. 2008 hing Artificial Moon wie eine überdimensionale Laterne zwischen den Bäumen eines Parks in Xujiahui, dem raren grünen Fleck einer Stadt, in der - wie in so vielen anderen überall auf der Welt - Mond und Sterne am taghell erleuchteten Nachthimmel verschwinden. Rundheraus ersetzen tut Wang Yuyangs Mond den echten dennoch nicht, denn wer in ihn hineinschaut wird für einen Moment geblendet und sieht gar nichts mehr. Zumindest aus westlicher Sicht kann der Blick besitzergreifend sein. In Zeiten des Kalten Krieges war das Problem, wem der Mond gehört ein beliebter Aufhänger für Dispute zwischen Ost und West. Deutet Artificial Moon am Ende gar auf die Antwort auf diese Zankfrage?

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