zukunft des fernsehens: neue formen

zukunft des fernsehens: neue formen

Date: 
22.02.1996 12:00
Edition: 
1996
Format: 
Panel
Location: 
Podewil

Uberraschenderweise ist das britische Fernsehen krea­tiver und vielfältiger als je zuvor. Und das in einer
Zeit, in der sich die Medienwelt ständig wandelt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinen besonderen Ansprüchen einst von der BBC geschaffen und heute eher durch Channel 4 repräsentiert, muß sich der Konkurrenz rein kommerziell ausgerichteter, via Kabel, Antenne und Satelit aggressiv um Marktanteile kämpfender Privatsender stellen. Diese Veränderungen begannen mit der Sendeauf­ nahme von Channel 4 im Jahre 1982. Channel 4, weniger mit Eigenproduktion beschäftigt, war der Auslöser für die Entstehung einer unabhängigen Filmproduktion. Viele der Filmschaffenden hatten reges Interesse daran, daß Channel 4 seiner öffentlichen Aufgabe, der Schaffung eines in Form und Inhalt kreativen und innovativen Programmms gerecht wurde. Für einen bemerkenswert langen Zeitraum belebte Channel 4 die unabhängige Filmproduktion und sorgte so für erstaunlich umfangreiches Archivmaterial in Form von Reportagen und Dokumentationen über das Inland und die Welt. Channel 4 schuf eine neue Form der Zusammenarbeit mit Künstlern und Filmschaffenden, eine neue Berichter­ stattung über konventionelle Politik, die schwul-lesbische Bewegung und Rassismus. Es wäre falsch zu behaupten, dies alles wäre nun vorbei, aber Channel 4 bietet sicherlich nicht mehr das aufregende, progressive Programm von einst. Ein neues Managment, unter der Führung von Michael Grade orientiert sich verstärkt an Einschaltquoten, da der Sender sich heute über Werbeeinnahmen finanziert und die bis dahin bestehende Unterstützung durch die Mainstream ITV-Gesellschaften entfällt. Channel 4 typische Programme sind heute das banale Frühstücksfernsehen The Big Breakfast und die Unterhaltungssendung Don't Forget Your Toothbrush. Ein Großteil der einst von Channel 4 und seinen unabhängigen Produzenten ausgehenden innovati­ ven Kraft hat sich heute zu BBC2 verlagert. BBC2 zeigt importierte Serien wie The X-Files, hat aber dennoch eine erstaunliche Anzahl provokativer, formell neuer Programme hervorgebracht. Genau wie Channel 4 braucht auch BBC2 stabile Einschaltquoten (durchschnittlich in der Woche um die 10% der terrestrischen Ausstrahlung) schafft es aber dennoch, den traditionellen Aufgaben des öffentlichen Fernsehens (Information, Bildung, Unterhaltung) auf moder­ne und immer wieder überraschende Art gerecht zu wer­den. Aus diesem Grund setzt sich dieses FOCUS-Programm überwiegend aus Auszügen neuerer BBC2 Produktionen zu­sammen. Dieses Programmm bietet eine umfassende Auswahl innovativer britischer Fern­ sehproduktionen der letzten zwei Jahre. Sie werden als Teil eines Vortrages, der die Produktionsbedingungen und die Besonderheiten die­ ser Arbeiten erläutert, ge­ zeigt. Ein Programm, das aus Auszügen besteht, kann lei­ der nur einen begrenzten Eindruck vermitteln. Den­
noch hoffe ich, mit diesem Programm einen weitrei­ chenden Einblick in die Qualität der heutigen britischen Fernsehproduk­ tionen vermitteln zu können. Hier eine Auswahl der Arbeiten: Tx: The Waste Land, Rememberance of Things Fast, One Minute Pieces, Inside Victor Lewis Smith, Alan Partridge - Knowing Me, Knowing Yule, Video Nation, Modern Times: Lido, Work: Bank Manager, London, The Last Maschine, The Late Show: Singapore
The Net. Jugendliche gelten im allgemeinen als überaus innovationsfreudig. Gerade im Medium Fernsehen werden da­her neue Sendeformen bevorzugt an Jugendlichen getestet; das gilt für Möglichkeiten zur ( wenn auch be­ schränkten ) Interaktion - Anrufen, Faxe, per Telefon an Spielen teilnehmen - ebenso wie für die Einführung virtuel­ ler Moderatoren.
Marktgesetze lassen sich allerdings noch nicht formulieren; Computerspiel-Sendungen wie Games World (SAU) oderX- ßase (ZDF) scheiterten aus verschiedenen Gründen und wur­ den ebenso abgesetzt wie das Magazin Super??? (SAT1).
Gleichzeitig bemüht sich das Jugendfernsehen verstärkt um Zuschauerbindung. Im Verlauf der Sendung werden Faxe verlesen, und Live-Magazlne wie Lollo Rosso (WDR) oder Zell-o-Fun (SDR) lassen gern auch anrufen - sei es, damit die Anrufer an Spielen teilnehmen können.
Eine zunehmende Technisierung ist auch im Bereich Kinder­ fernsehen festzustellen: Zeichentrickserien wie Reboot (Premiere/ZDF) oder Insektors (ARD, im Käpt'n Blaubär Club) werden vollständig computeranimiert und machen das künstlerische Manko - eine gewisse Leblosigkeit, eher ecki­ ge Bewegungen - zur Methode: Reboot (produziert von Zondag Entertainment, Kanada ) präsentiert dank aufwendi­ger Computeranimation bestechend dreidimensionale Bilder und spielt konsequenterweise in einer Computerwelt. Insektors (Fantome Animation, Frankreich) spielt auf einem fernen, von Insekten bevölkerten Planeten, auf dem es einen immerwährenden Streit zwischen den grauen gries­ grämigen Küchenschaben und ihren verspielten, farbenfro­ hen Widersachern gibt.

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