Wax, or the Discovery of Television among the Bees

Interview
29.01.2017

Wax, or the Discovery of Television among the Bees

Wax, or the Discovery of Television among the Bees, video still.

David Blairs Projekt Wax, or the Discovery of Television among the Bees von 1993 war der erste unabhängige Film, der mit einem nicht linearen Schnittsystem bearbeitet wurde, der erste Film, der in eine interaktive und hypertextuelle Online-Erfahrung übertragen wurde (Waxweb, 1993) und der erste Film, der über ein Computernetzwerk ausgestrahlt wurde. In seinen vielen Ausführungen erzählt uns Wax die surreale Geschichte von Jacob Maker, einem Programmierer von Waffen und Flugsimulationen für die US-amerikanische Regierung auf einem Testgelände in Alamogordo in New Mexico. In seiner Freizeit züchtet Maker eine bestimmte mesopotamische Bienenart. Sein Leben nimmt eine abrupte Wendung, als die Bienen sein Bewusstsein übernehmen und es ihm ermöglichen, mit den Toten zu kommunizieren. Seine Halluzinationen werden durch psychedelische Collagen aus Computeranimationen, Videofeedback-Texturen, Heimvideos, Archivbildern und gefundenem Bildmaterial visualisiert.

 

Die Geschichte von Wax – und besonders von dessen Existenz in verschiedensten Formaten – erinnert stark an die Konzepte, die der Ausstellung alien matter zugrunde liegen, die von Inke Arns für die transmediale 2017 kuratiert wurde. Hinsichtlich der wechselseitigen Beziehung zwischen technologischen Artefakten und dem „Natürlichen“, der häufig in technologischen Entwicklungen innewohnenden Gewalt sowie der esoterischen Antworten auf eine zunehmende Rationalisierung, ist Blairs Projekt aus den frühen 1990er Jahren auf viele Weisen ein unheimlicher Vorgänger zeitgenössischer Kunstpraktiken. In dieser Frage-Antwort-Runde stellten Arns und Redakteurin Elvia Wilk Blair eine Reihe von Fragen über die Entstehung von Wax und über dessen wiederkehrende Echos.

Inke Arns: Das Video Wax sticht für mich als einzigartiges Werk heraus. Ich kenne keine anderen Projekte, die damit vergleichbar wären. Was hat dich inhaltlich und formal inspiriert?

Die Arbeit ist lange gereift – durch die sich beschleunigende Medienumgebung der 1980er Jahre hindurch – und hat es irgendwie immer geschafft, etwas anderes zu sein als das, was ich daraus gemacht habe. Komischerweise hat es 1981 als ein überwiegend nonverbales, grafisches Glitch-Video angefangen. Das war zu einer Zeit, als ich keinen Zugang zu Videobearbeitung oder Kameras hatte, aber bei einem Duplikationsdienst arbeitete, wo ich Grafiken und Fehler aufzeichnen konnte. Ich dachte, ich würde schreiben, um es fertigzustellen. Also ging ich 1984 mit einem Spiel im Sinn in die New York Public Library. Ich bestellte alle Bücher über Bienen, die bis 1960 erschienen waren, behielt künstliche Sprache und mechanische Television im Kopf und fand, irgendwie fast sofort, ein Buch, das alle drei Aspekte zusammenbrachte. Das Projekt dehnte sich aus. So kam der Schnitt, dann gab es Echtzeit-Grafiken, dann konnte ich am Computer schreiben, dann kam die Form des Spielfilms – wenn auch viel komplexer als bei einem üblichen Spielfilm –, dann Computergrafik, dann nicht linearer Schnitt. Und nach dem Abschluss, das Internet. Und es war immer etwas anderes, wie ein Eisberg aus der vierten Dimension.

Meine Inspirationen waren vornehmlich meta-fiktional und leicht auszumachen. Hoffmann, Borges, Pynchon in der literarischen Tradition des Grotesken sowie das Video über Video, das nicht von Video handelte, wie bei Paik. So war die Geschichte immer eine Repräsentation von sich selbst, von der Welt und von ihrem Platz in der Welt.

Elvia Wilk: Als zugleich Video- und erweitertes Online-Projekt, konnten Wax und Waxweb in ganz unterschiedlichen Kontexten und auf ganz verschiedene Weisen gezeigt werden. Was war in deiner Vorstellung der ursprüngliche oder ideale Kontext, in dem Betrachter_innen das Projekt wahrnehmen würden? Wie wurde es auf der transmediale präsentiert?

Es sollte immer als etwas anderes gezeigt werden, als was es war. Es war zum Beispiel ein Video, aber ich habe es auf 16-Millimeter übertragen, um es in kommerziellen Kinos abzuspielen – damals, als Video extrem selten in den Kinos gespielt wurde. Also war es für einen Moment ein Kinofilm, aber im nächsten Moment wurde es überall im Internet ausgestrahlt. Dann wurde es für Waxweb in eine nicht-chronologische, sondern vernetzte Form gebracht. Auf der transmediale 1997 habe ich auf einem Panel über dieses und ein weiteres Projekt gesprochen, an dem ich seit Wax arbeite, das sowohl Wax als auch Waxweb beinhaltet und The Telepathic Motion Picture of THE LOST TRIBES heißt.

Ich bin kurz davor, die ersten Folgen von THE LOST TRIBES zu veröffentlichen. Das Projekt hat eine Fernseh-Struktur mit 26 Staffeln, die aus je 26 Folgen à 24 Minuten bestehen. Doch anders als übliches Fernsehen, spielt es an vielen Orten gleichzeitig, wie Live-TV. Das Projekt handelt von revisionistischer Geschichtsschreibung und spielt auch in einer unendlichen Zahl widersprüchlicher Parallelwelten gleichzeitig. Es ist Video und doch auch Hörspiel mit viel schwarzem Bild. Ich nutze die formalen Strukturen – und, eingebettet in eine viel größere Matrix, ein wenig von der Handlung/den Visuals – der zwei vorangegangenen Projekte als eine Art Maschine, um THE LOST TRIBES herzustellen. Und doch ist dieses neue Projekt auch selbst eine Herstellungsmaschine. Es gibt keine ideale Form der Präsentation. Es gibt nur das Publikum. Zuhörer_innen, die zuschauen oder natürlich das Gegenteil: Absender_innen, die denken.

Trailer von The Telepathic Motion Picture of THE LOST TRIBES, mit 26 Staffeln à 26 Folgen, an der Blair seit Wax gearbeitet hat.

 

Inke Arns: Wax passt sehr gut zum aktuellen Trend eines sogenannten „Neopaganismus“ oder esoterischer Ansätze an Technologie. In der diesjährigen Ausstellung alien matter werden einige ähnliche Positionen gezeigt, wie etwa von Johannes Paul Raether oder Suzanne Treister. Was hat dich inspiriert, Technologie mit Esoterik zu verbinden?

Ich sollte wohl sehr deutlich sagen, dass es abgesehen von der Form und den Besonderheiten, mit denen der Film oder seine anderen protoplasmischen Transfigurationen durchsetzt sind, ein säkulares Projekt mit einem säkularen, vor allem ethischen Anspruch ist und war. Dies soll nicht leugnen, dass das Projekt die ganze „Making of“-Zeit hindurch gespenstisch von der Zukunft und der Vergangenheit oder deren Umkehrung heimgesucht wurde… vom Aufkommen des Ersten Golfkrieges, oder – etwas plausibler – davon, dass ich unmittelbar nach einer tausende Meilen weiten Reise, zu der mich ein einzigartiges Buch aus der New York Public Library veranlasst hatte, rein zufällig die Nachfahren des Autors dieses Buches in ihrer Wohnung um die Ecke von der Bibliothek traf.

Es hat einen Grund, dass überall Kirchen und heidnische Strukturen gebaut werden, die man aufsuchen kann – auch in Büchern oder in dem, was Menschen essen… Es ist immer nützlich, das Unbekannte der Zeit und ihre synchronen Strukturen periodisch in den Schichten aus synchorischem Raum zu platzieren – die oftmals an gleicher Stelle koexistieren – oder unter Symbolen auf einer Seite, oder unter all den bewegten Bildern, so dass wir das Unbekannte technisch kennzeichnen können – wo wir sind, während wir uns ihm nähern, in der Mitte des Lebens oder einer Geschichte, auch wenn das rückwärts geschieht.

Viele Menschen haben sich in den letzten Jahren mit Technikgeschichte oder Mediengeschichte beschäftigt – zum Beispiel in der Medienarchäologie – und die Unentzifferbarkeit dieser vergangenen Interventionen und ihre wandelbaren Geschichten genutzt, um Geschichten neu zu erzählen und die unsichtbaren Maschinen sichtbar zu machen, die unsere mentale Raumzeit produzieren. Eine Laterna Magica ist eine Art heidnisches Objekt, aber es gibt keinen Papst.

Elvia Wilk: Dein Film war im Jahr 1993 der erste, der über das Internet ausgestrahlt wurde. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Sun Microsystems, wer hat das ermöglicht? Könntest du auch darüber sprechen, wie die zentrale Metapher des Plots, die Beziehung des Bienenhalters zu den Bienen, dazu im Verhältnis steht, wie im letzten Jahrzehnt das Anschauen von Filmen online explodiert ist, bzw. zur Internetnutzung im Allgemeinen?? 

Ich antworte mal ganz konkret: Der Typ, der den Amiga Computerladen im East Village geführt hat, kündigte und beschäftigte sich mit High-Speed-Internet. Er fragte mich, ob mein Film der erste Film im Internet sein könne und steckte dann Wax in einen VHS-Rekorder, der mit einer Silicon-Graphics-Maschine verbunden war, die mit einer T1-Leitung verbunden war, die wiederum mit dem Mbone verbunden war [also mit einem „Multicast Backbone“, der in den 90ern für den Multicast-Verkehr online eingesetzt wurde]. Aufgrund eines Beitrags über das Ereignis in der Mailingliste Interesting People von David Farber wendete sich ein Korrespondent der New York Times, John Markoff, an Sun HQ und beschrieb die Übertragung so, als seien sie involviert gewesen; aber eigentlich waren sie nur in der Session angemeldet und schauten die Übertragung mit uns an.

Bienen stellen offenbar Wachs her und bilden daraus exakte Hexagon-Strukturen, indem sie in einem bestimmten Abstand zueinander arbeiten. Als ich in den Bibliotheksbüchern die Bienen nachschlug, gab es dort eine unendliche Vielzahl an oxymoronischen Paaren aus gegensätzlichen Metaphern, die auf den sozialen Verhältnissen der Bienen beruhen... Im England des siebzehnten Jahrhunderts wurden sie sowohl für Argumente genutzt, warum die Monarchie abgeschafft werden sollte, als auch für Argumente, warum sie wiederhergestellt werden sollte.

Wenn ich retrospektiv eine Verbindung zwischen diesen beiden Tatsachen herstellen soll, kann ich nur vermuten, dass ich und andere uns immer in einem bestimmten Abstand zueinander befinden, in Verhältnissen, die sowohl zur endlosen Übertragung als auch zur widersprüchlichen Rezeption aller Arten von Bildern auf allen Arten von Schirmen führen – vor allem mentalen, aber auch den aus Plastik oder Metall hergestellten – und dass dies so weitergehen muss, bis gemeinschaftliches Denken all dies irgendwie ersetzt und alle Paradoxe absorbiert werden. Mir wurde gesagt, ein Quantenzeitalter wird das für uns erledigen.

Inke Arns: Warum sind Jacob Makers Bienen eine mesopotamische Züchtung? Das hat offenbar eine besondere Bedeutung – magst du das erläutern?

In den 1970er Jahren und in die 80er hinein geschahen viele Dinge. Zum Beispiel traten um einen Präsidenten herum, der scheinbar immer nur in den Filmen gelebt hatte, wortgetreu gesonnene christliche Krieger auf die Bildfläche. In den 70ern las ein Freund von mir The Late Great Planet Earth, eine prophezeiende Erzählung, die biblische Ereignisse auf das Endspiel der Zeit sowie auf spezifische Orte im Orient kartierte. Die meisten dieser Orte waren in Israel, aber dann gibt es natürlich noch die älteren Teile der Bibel – vielleicht könnte man sagen, die heidnischeren –, die dem Ende der Zeit näher waren... in Mesopotamien.

Die mesopotamischen Bienen in dem Film sind „Fernsehbienen“. Die Existenz des Fernsehens erfordert, dass man sich mit all den problematischen Ethiken von Handlung aus der Distanz befasst. Wenn wir das Fernsehen als eine Art Erzählbild verstehen, dann brauchen wir wechselseitiges Fernsehen [two-way television], um in diesem Erzählbild ethische Bedeutung zu erzeugen; es bedarf also nicht nur der schon unwahrscheinlichen Übertragung aus, sondern auch noch der unwahrscheinlichen Übertragung in weit entlegene Orte. In der ursprünglichen Version der Geschichte, vor dem Golfkrieg, entwarf ich eine wechselseitige Fernsehübertragung zwischen der Militärbasis in New Mexico und Basra, Irak. Leider war die Wirklichkeit dieses Fernsehens näher, als ich es mir vorgestellt hatte, als ich mir meine persönliche Raumzeit-Vorstellung davon schuf, was in Amerika böse sein könnte. Meine Vorstellung basierte bloß darauf, was ich überall um mich herum vermutete, ohne so fern zu blicken – und obwohl sie tatsächlich in weiter Ferne lag, stellte sie sich als sehr naheliegend heraus.

Übersetzung aus dem Englischen von Jen Theodor.

 

 

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