installation: vorwort

03.03.2017

installation: vorwort

spuren sind das vorläufig bleibende.
Spurensuche und Spurensicherung, diese zwei Begriffe ste­ hen in diesem Jahr Pate bei der Auswahl von Installationen. Es ist gewiß kein neuer Aspekt der künstlerischen Auseinan­ dersetzung und doch zeigen die Skulpturen, Objekte und Installationen aus dem elektronischen und computergestütz­ ten Kunstbereich zunehmend differenzierte Ansätze und neue Formen der Darstellung künstlerischer Positionen.
Christoph Girardet konzipiert mit seiner Installation up-current ein mehrdimensionales Raummodell, das eine Überprüfung unserer Erfahrungen von körperlich und visuell wahrnehmbaren Vorgängen erfordert. Die Arbeit Shift von Kjell Bjorgeengen erschließt sich mit dem gleichzeitigen Ein­ tauchen des Videobildes und der Gedanken des Betrachters in einen visionären Raum hinter dem Monitor.
Die Skulptur Elizabeth Gardner von Nicolas Anatol Baglnsky stellt sich mit Ihrer dominanten Erscheinung in das Zentrum struktureller Vernetzung. Ihre formalen und Inhaltlichen Funktionen offenbaren ungewöhnliche Sichtweisen zwi­ schen Ordnung und Chaos, Veränderung von Präzision bis Spontanität. An der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert läßt Haruo Ishli in seiner neusten Arbeit Hyperscratch Vers.6 - the gate o f 2000 ad Spuren gesellschaftlicher Vergangen­ heit und daraus entspringende Visionen zu einer inter­ aktiven Projektionsinstallation verschmelzen, in der sich der Benutzer im Brennpunkt von Ursache und Wirkung widerer­ kennt. Abwesenheit als besonderer Aspekt menschlicher Spekulationen thematisiert Kirsten Geisler in ihrer interaktiven In­ stallation Table of Memories. Mittels thermografischer Ab­ tastung verändert sie von den Händen übertragene Körper­ wärme zum Videodokument. Axel Bohse. neue videokunst in polen. Erste Videoarbeiten datieren aus den frühen 70er Jahren. Das vornehmliche Interesse der Künstler galt den Eigen­ schaften des Mediums mit seinen künstlerischen Ausdrucks­ möglichkeiten. Man verstand Video als ein eigenständiges Medium und behielt bis in die späten 80er eine bewußt kri­ tische Distanz zum Fernsehen. Wie Jözef Robakowski, die Hauptfigur der Medienkunst in Polen, 1976 schrieb: „Videokunst Ist völlig inkompatibel mit dem Gebrauchscha­ rakter jener Institution (Fernsehen), sie Ist eine künstlerische Bewegung, die durch Ihre Unabhängigkeit den Mechanis­ mus der Manipulation anderer Menschen anprangert." Aus diesem Grund befaßten sich zahlreiche polnische Video­ künstler mit der Beziehung zwischen Realität, ihrer audiovi­ suellen Darstellung und dem Betrachter. Sie versuchten, Ar­ ten von Wahrnehmung herauszuarbeiten und die sich dar­ aus ergebenden Manipulationsmöglichkeiten von Wahrneh­ mung zu ergründen. Trotz dieses analytischen Ansatzes be­ tonten In den 80er Jahren immer mehr Künstler die Bedeu­ tung von Emotionen mit deren irrationalen Quellen. Nicht zuletzt unter diesem Einfluß entwickelte sich die Form der Videoperformance, die den intuitiven und spontanen Cha­ rakter künstlerischer Auseinandersetzung als neuen Bereich zu akzentuieren suchte. Mehr und mehr kristallisierten sich schließlich Positionen einer neuen polnischen Videokunst heraus. Künstler, die sich um die Protagonisten des polnischen New-Wave-Video ver­ sammelten, waren überwiegend Absolventen der Kunstaka­ demien und brachten ihrerseits fundiertes Wissen und enga­ gierte Kreativität mit. Wichtiger als die puristische Unter­ suchung der Materialität und der damit verbundenen theo­ retischen Betrachtungen wurde die Absicht, Video als Medi­ um des spontanen, persönlichen Ausdrucks zu nutzen. Es entstanden Arbeiten, deren Ursprung S8-Filmmaterial war, das auf Magnetband übertragen und nach musikalischen Rhythmen und eigenen Kompositionen geschnitten wurde. Das Cross-Over von Mitteln und Einflüssen dieser Bewegung prägte die polnische Kunst nachhaltig. Die jungen Künstler schöpfen nun aus der eigenen Sensibilität, die sowohl Ver­ satzstücke der persönlichen Biographie wie auch Elemente universeller Archetypen kollektiver Erinnerung beinhalten. So ist es kaum verwunderlich, daß die Gruppe der polni­ schen Künstler, die sich mit den neuen Medien befassen, in den letzten 10 Jahren großen Zulauf hatte. Unter Ihnen fin­ den sich nach wie vor einige der Medienkunstpioniere, Videokünstler der mittlerwelle zweiten Generation sowie ganz unerfahrene Newcomer aus anderen künstlerischen Bereichen. Heute spannt sich der Bogen unterschiedlicher Genres im Videobereich vom Musikvideo über Folk-Poetry und Videoanimation bis hin zu analytischen Inhalten. Mit der Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen finden verstärkt auch polnische Künstler Interesse an Kommunika­ tionsprojekten und interaktiven Konzepten. Die Ausstellung
Video-Räume präsentierte, unter der Initiative von Jözef Robakowski, 1994 In der State Art Gallery Sopot Künstler aus unterschiedlichen Kunstbereichen zur Frage: Was be­ deutet Video? Eine Auswahl von Skulpturen und Installa­ tionen stellt das 9.VideoFest vor.
Dr. Ryszard W. Kluszczynski

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