Ausstellungsarchitektur 2018 – Territories of Complicity

15.02.2018
Exhibition Architecture 2018 – Territories of Complicity by raumlaborberlin

Ausstellungsarchitektur 2018 – Territories of Complicity

Exhibition Architecture 2018 – Territories of Complicity by raumlaborberlin

Vom Studiolo zum Freihafen
von raumlaborberlin

Mit der Ausstellungsarchitektur für Territories of Complicity thematisiert raumlaborberlin die Entwicklung des physischen Raums, in dem Kunstwerke über Jahrhunderte hinweg gesammelt wurden. Seit der frühen Neuzeit hatte sich der Kunstbegriff in Europa verändert; mit dem Aufkommen der neuen Klasse des Bürgertums erhielten Kunstwerke neben ihrem religiösen und repräsentationalen Zweck einen neuen Wert.

Geschlossenen Kabinette oder Studiolos und private Studienorte in edlen Palästen wurden zu den ersten Sammlerräumen der neuen Ära. In der späteren Entwicklung wurden diese Räume als „Wunderkammern“ und „Kunstkabinette“ zu Vorläufern zeitgenössischer Museen. Die enzyklopädisch gesammelten Gegenstände wurden dort einem kleinen Kreis präsentiert und demonstrierten die Macht und das Kulturverständnis der Besitzer_innen. Die Sammlungen wuchsen in erster Linie mit dem Ziel, Wissenschaftler_innen und Forscher_innen für Studienzwecke zu dienen; später entwickelten sie sich zu Museen, die auch einem breiteren Publikum freien Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichten.

Gleichzeitig wurden Kunstobjekte in den letzten Jahrhunderten zunehmend wie Waren gesammelt und permanent auf dem Markt gehandelt, wo ihr ökonomischer Wert – wie bei anderen Vermögenswerten – immer wieder Schwankungen unterliegt. Als Vermögenswert muss das Kunstwerk geschützt werden, um seinen Wert zu erhalten. Es auszustellen wird bereits als Konsum angesehen. Der Transport ist immer riskant und selbst die Lichteinwirkung kann schädlich sein. Sichere Lagerung ist deshalb notwendig: am besten in Ländern, in den Waren zoll- und steuerfrei bewegt werden können. Mit Freihäfen sind Sammler_innen wieder auf die Nutzung intimer Räume angewiesen, um ihre kostbaren Güter zu bewahren – so intim, dass nicht einmal sie selbst direkten Zugang zu den Kunstwerken haben.

Die Ausstellungshalle im Haus der Kulturen der Welt wird von einem massiven Objekt eingenommen: Eine Plattform, die einem Containerschiff gleicht, umfasst acht Containerräume, in denen zwölf Künstler_innen ausstellen, sowie einen Bühnenbereich für Präsentationen und Diskussionen. Die Kunstwerke werden wie einst in Kabinetten ausgestellt, wie die gesammelten Wertgegenstände der „Wunderkammer“. Allerdings sind sie durch einen Überbau organisiert, der wie ein Teil eines Lagerhallenkorridors scheint, zu dessen Seiten Stellräume liegen. Das Konstrukt besteht aus vorgefertigten Einzelteilen: Bühnenkomponenten, deren klare, ausgeprägte Raster normalerweise dazu dienen, horizontale Flächen für Events zu schaffen, werden hier neu interpretiert, um vertikale Wände zu errichten. Deren Modularität sowie das scharfe und glänzende Erscheinungsbild ihrer Aluminiumrahmen stellen einen Bezug zur ökonomischen und räumlichen Rationalität und Optimierung her, welche das Fundament des Systems bilden und auf die Materialität von Freihafenanlagen verweisen. Zugleich erinnern der warme Braunton der Elemente und die geschlossenen Räume an die Intimität der Renaissance-Studiolos, die sich durch eine hölzerne Vertäfelung und Möblierung auszeichneten.

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